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Buchenwald rund um die Bielsteinschlucht im Wintergewand

Zu allen Jahreszeiten sind Buchenwälder schön: bunte Farbwelten im Herbst, im Winter blauschwarze Säulen im Schnee, unter dicken März-Knospen Anemonen und Lerchensporn-Teppiche, maigrüner Frühling und kühle großartige Hallen im Sommer. Tatsächlich sind Buchenwälder die in Europa heute natürlich vorherrschenden Waldgesellschaften. Von Südschweden bis in die Bergrücken Italiens und Griechenlands, von den Pyrenäen bis in den Kaukasus sind sie zu finden. Sie wachsen und gedeihen in den Tiefebenen und Gebirgen, auf Sand- und Kalkstein; überall wo es nicht zu trocken und im Winter nicht zu kalt ist, tritt die Buche als bestandsbildene Baumart an – jedenfalls da, wo der Mensch es zulässt. Dies war nicht immer so. Nach den Eiszeiten gab es in großen Teilen Mitteleuropas keine Wälder sondern nur Tundren. Später wanderten Hasel und Birke ein. Die Buche erschien in den meisten Regionen Deutschlands erst vor 5000 Jahren. Seitdem breitete sie sich aus und tut das heute noch. Dass wir heute nicht überall Buchenurwälder sehen, liegt an dem Wirtschaften der Menschen. Schon früh haben Rodungen Platz für Weideland, Acker und Siedlung geschaffen. Derzeit sind in der Bundesrepublik Deutschland nur noch 31 % der Landfläche von Wald bestanden, meist in Form von Fichtenforsten. Buchenbestände machen nur ein Siebtel der Wälder aus und auch dies sind überwiegend gepflanzte Forste und keine natürlichen Wälder.

Früher wurde in der Forstwirtschaft zur Ernte eine ganze Fläche kahl geschlagen und neu bepflanzt. Häufig wurden Fichtenmonokulturen angelegt, weil dies am schnellsten, das heißt nach 60 bis 80 Jahren, Gewinn versprach. Pflanzte man Buchen, galt es 140 Jahre zu warten. Aus so aufgeforsteten Buchenpflanzungen entstanden die in Reih und Glied stehenden Stangenhaine, die sich zu dunklen artenarmen Buchenhallen entwickelten. Heute werden in der Regel keine Kahlhiebe mehr durchgeführt, stattdessen entnimmt man nur die älteren Bäume eines Bestandes und lässt natürliche Verjüngung zu. Solche altersgestaffelten Laubwälder mit Kraut-, Strauch- und Baumschicht sind deutlich artenreicher.

Aber nur selten erreicht ein Baum im genutzten Wald sein natürliches Alter – bei Buchen wären das über 300 Jahre – und durchläuft die Zerfalls- und Absterbephase mit dem Zusammenbruch der ältesten Exemplare. In einem naturbelassenen Wald findet man stattdessen alle Altersstadien nebeneinander: vom Keimling über strauchhohe Jugendstadien und reifen Bäumen in der Optimalphase bis zu den ganz alten Baumriesen und zu stehendem oder liegendem Totholz. Zu sehen ist solch ein in Jahrhunderten gewachsener Buchenurwald nur noch in einigen Restbeständen in den Karpaten, dort seit 2007 als Weltnaturerbe anerkannt und geschützt. In Deutschland gibt es nur wenige relativ kleinräumige Flächen, auf denen Buchenwald schon viele Jahrzehnte aus der Nutzung genommen worden ist. Sie zeichnen sich durch eine besonders hohe Biodiversität (Artenvielfalt) aus. Weil in den genutzten Wäldern überwiegend der Anteil an alten und toten Bäumen fehlt, sind auch die Lebewesen, die auf und in ihnen leben, verschwunden.

Dagegen weist alter nutzungsfreier Wald eine Vielzahl an Pilzen, Pflanzen und Tieren auf. Derzeit sind in Deutschland nur etwa ein Prozent der Waldbestände aus der Nutzung genommen. Deshalb sind viele hundert Arten aus unseren heimischen Wäldern (eigentlich Forsten) entweder schon verschwunden oder stark gefährdet. Umso erfreulicher ist die Selbstverpflichtung der Bundesregierung, fünf ausgewählte alte Buchenwälder als Weltnaturerbe anzumelden und unter dauerhaften Schutz zu stellen. Im Juni 2011 hat das Welterbe-Komitee der UNESCO diese Überbleibsel großflächiger naturbelassener Buchenwälder anerkannt und auf eine Stufe mit so bedeutenden Stätten wie dem Yellowstone Nationalpark, den Galapagos Inseln oder dem Wattenmeer gestellt. Solche Bereiche, in denen Natur Natur sein darf, sind wichtige Archive, in denen genetische Schätze bewahrt werden können. Und Menschen können hier von der Natur lernen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat nach Rio 2000 versprochen, 5 % aller Wälder aus der Nutzung zu nehmen. Von diesem Ziel sind wir noch weit entfernt. Und wenn wir von anderen weniger wohlhabenden Ländern fordern, dort die Urwälder zu erhalten, müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen. Weitere zusammenhängende Waldgebiete müssen deshalb als großflächige Schutzgebiete ausgewiesen werden. Geplant wird dies zur Zeit in Nordrhein-Westfalen für den südlichen Teutoburger Wald und das nördliche Eggegebirge, die zum Nationalpark geadelt werden sollen: Ein Gewinn für uns alle und besonders für nachfolgende Generationen!

Autor: Prof. Dr. Roland Sossinka

Literaturquellen:

• Knapp, H..D. et al. 2008: Naturerbe Buchenwälder- BfN-Skripten 240
• Schnell, A. (2004): Die Mär vom strukturarmen Buchenurwald. LWF aktuell 47, S. 32-34
• www.waldwissen.net/wald/naturschutz/lwf_struktur_buche/index_DE
• Neuert, C., Rademacher, C. & Grimm, V. 2001: Buchenwälder wie in der Urzeit www.ufz.de/data/092-097-3085.pdf
• Lehmann, S. (Bearb.) 2007: Schutz der Wälder – nationale Verantwortung tragen und global handeln – BfN-Skripten 209
• BfN 2011: www.weltnaturerbe-buchenwaelder.de

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